Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen

„Gewalt ist eine Weltgeißel, die das Gefüge von Gemeinschaft zerreißt und Leben, Gesundheit und Glück von uns allen bedroht“, so die Weltgesundheitsorganisation der UNESCO 2003 in ihrem ersten Weltbericht zum Thema Gewalt und Gesundheit.

Herzlich Willkommen, liebe Erlenseer und Erlenseerinnen, liebe Freunde und Freundinnen, liebe Kollegen und Kolleginnen aus der Politik, liebe 1. Stadtverordnete Birgit Behr und liebe Birgit Reuhl als stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin

Ich freue mich über mindestens zwei Dinge:

  1. Es ist uns gelungen, mit dieser Aktion „ein orangefarben angeleuchtetes Rathaus“ Aufmerksamkeit für dieses sensible Thema „Gewalt an Frauen und Mädchen“ zu bekommen. Wir reihen uns damit in eine große Anzahl von Städten und Gemeinden ein, die sich ebenfalls an dieser Aktion beteiligen.
  2. Danke ich auch Dir, Birgit für deine ganz persönliche Erzählung, ebenso wie Sylvia Ostermeyer letzte Woche in der Stadtverordnetenversammlung. Ihr holt damit die theoretische Betrachtung in unser aller Leben und Bewusstsein.

Es wurde schon viel gesagt und geschrieben zu diesem Thema:

Nur ganz kurz:

139 Frauen und 30 Männer starben 2020 durch die Hand des Partners oder der Partnerin. 119 164 Frauen erfuhren Gewalt in der Beziehung. Am häufigsten war Körperverletzung wie Schläge, Stichwunden, Verbrennungen, Vergewaltigung. Dann folgte Nötigung, Bedrohung und Stalking. Und das passiert direkt vor unseren Augen:  in unserer Nachbarschaft, bei befreundeten Familien, unseren Freundinnen, vielleicht unseren erwachsenen Kindern. Und wir sehen es nicht oder manchmal wollen wir es auch nicht sehen. Bei all diesen Zahlen muss uns eines klar sein: die Dunkelziffer ist sehr, sehr hoch. Auf die Gründe dafür komme ich noch.

Ich werde mir  einen kurzen Schlenker in die weite Welterlauben: Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein universelles Problem. Frauen sind noch extremer z.B. dem Klimawandel im globalen Süden ausgesetzt als dies die Männer sind. Sie werden von ihren Eltern als Prosituierte verkauft, weil die Eltern so arm sind, sie bleiben zurück auf dem Land, wo es durch Dürre und extreme Wetterverhältnisse nichts mehr zu essen gibt, weil sie sich um die Alten und Schwachen und die Kinder kümmern müssen. Sie sind den Gefahren marodierender Gruppen ausgesetzt und haben nicht die Kraft, sich entsprechend zu wehren. Bei dem Tsunami 2004 gab es sehr viel mehr weibliche Tote als männliche. Denn die Männer sind ins Landesinnere geflüchtet, die Frauen aber blieben in Strandnähe, um Kinder und Alte zu schützen.

Nun zurück in unser Land und zum Thema häusliche Gewalt:

Den meisten Gewalttaten gegen Frauen gehen lange Konflikte voraus, die das Alltagsleben betreffen:

Besitzansprüche

Extreme Eifersucht

Anspruch auf Dominanz

Macht und Kontrolle

Erwartungen bzw. Uneinigkeit bezüglich der Hausarbeit

Finanzielle Probleme

Erziehung und Betreuung der Kinder

Sexuelle Ansprüche

Ein veraltetes Rollenbild

Gewalterfahrung in der Kindheit

Da reicht dann eine Kleinigkeit, um den Funken zu zünden.

Nicht hilfreich sind dabei die – ich kann es nicht anders sagen – manchmal dummen und zutiefst verachtenden Sprüche wie „na, wird sie wohl verdient haben“ oder „war wohl mal wieder Zeit … „ oder „da sieht man den ganzen Kerl“.

Corona und die soziale Isolation, die Angst vor Jobverlust, die Kurzarbeit kamen im letzten Jahr hinzu und haben zu einer Erhöhung von Gewalt an Frauen und Kindern geführt. Mit der sozialen Isolation kommt der Verlust der sozialen Kontrolle durch Kollege*innen und das soziale Umfeld hin.

Warum Frauen diesen Teufelskreis nicht unterbrechen, indem sie das häusliche Umfeld verlassen, hat viele Gründe:

Angst und Scham vor der Reaktion der Umwelt, Angst davor, wie es weitergehen soll, wo soll sie hin mit ihren Kindern, manchmal auch die tiefe Verbindung zu einem gewalttätigen Partner, Angst davor, dass sie die Schuld für die gewalttätigen Ausbrüche des Partners in die Schuhe geschoben bekommen. Und das vielleicht Schlimmste und Schwierigste: der Verlust an Selbstvertrauen, der immer geringer werdende Glaube an sich selbst und seine eigene Handlungsfähigkeit und der nagende Selbstzweifel „vielleicht habe ich ja wirklich Schuld?“

Und damit komme ich zum letzten Punkt:

Was tun? Was können wir als Gesellschaft tun, auch als Freunde und Freundinnen, Bekannte, Nachbarn, Lehrer*innen, Erzieher*innen, Ärzt*innen und in Krankenhäusern?

Zum einen: nicht wegschauen! Zum anderen das Gespräch suchen, Hilfe anbieten, nicht bewerten, sondern zuhören. Und dann auf die vielen Hilfemöglichkeiten hinweisen, die es gibt. Vorneweg das Hilfstelefon. Wenn ich als Freundin / Nachbarin nicht so genau weiß, wie ich mich verhalten soll, dann rufe auch ich genau dort an und hole mir Rat.

Dann: es gibt die Frauenhäuser, es gibt Annäherungsverbote, es gibt das Verbieten des Betretens der Wohnung und vieles mehr. Auch Familienhilfe kann für eine Familie mit Gewaltpotential eine gute Unterstützung sein. Nur all diese Hilfe muss initiiert und organisiert werden. Die Frauen müssen sie meistens selbst in die Hand nehmen.

Diese Veranstaltung heute und unser orange angeleuchtetes Rathaus soll den Frauen zu zeigen, dass wir mit Ihnen solidarisch sind. Wir wollen aufmerksam machen auf die schwierigen Umstände, in denen Frauen und Kinder leben und hinweisen auf die Möglichkeiten, die wir alle gemeinsam haben.

Denn: Gewalt ist eine Geißel der Menschheit

Renate Tonecker-Bös zu Orange the World

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