von unserer Fraktionsvorsitzenden Renate Tonecker-Bös:
Lieber Herr Vorsitzender, sehr geehrter Bürgermeister und Magistrat, liebe Kolleg*innen und liebe Gäste, liebe Presse.
Meine Haushaltsrede wird drei Bereiche abdecken:
- Die Themen, die uns als politisch Interessierte zurzeit alle bewegen
- Ein Rückblick auf das vergangene „Erlenseer“ Jahr
- Der Haushalt 2024, mit seinen Anträgen und Widersprüchen und Schätzen
Wir alle stehen unter dem Schock der blutigen Ereignisse im Nahen Osten, 250 Geiseln, die grausam von einem Musikfestival, aus Kibbuzzen, von der Straße gefangen genommen wurden, vergewaltigt und gefoltert und getötet wurden. Und eine kriegerische Gegenbewegung, die das Leben der Menschen im Gaza-Streifen unerträglich macht, die Kinder, Frauen, Männer verhungern lässt, verbluten lässt, sterben lässt. Dies alles sehen wir täglich in den Nachrichten, es lässt uns fassungslos und hilflos. Die Menschen, in der Ukraine, die den zweiten Kriegswinter erleben, erdulden, und die trotzdem für eine weiterhin unabhängige Ukraine kämpfen. Auch dies sehen wir in den Nachrichten und sind fassungslos und hilflos und es ist trotz allem weit weg. Wir hören und lesen von Naturkatastrophen: Überschwemmungen in Südeuropa, Hagelkörner in Italien im Sommer, Flutschäden in Griechenland, Brände in Kanada, Dürre im Amazonas-Gebiet und vieles mehr. Wir hören von Ertrunkenen im Mittelmeer. Alles weit weg.
Und viele von uns leben so, als ginge uns das alles nichts an.
Etwas näher sind die Nachrichten, die uns aus Berlin ins Haus flattern. Ein Haushalt, dem plötzlich 60 Milliarden € fehlen, die für Klimaschutz, Energiewende und Wirtschaftstransformation benötigt werden. Da können wir hier in Erlensee ja fast froh sein. Auch wenn das Haushaltsbudget natürlich knapp ist. Trotz der Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von prognostizierten 8,4 € Mio und auch trotz aller anderen Einnahmen (z.B. Einkommensteuer, Grundsteuer, Spielapparatesteuer, um nur einige zu nennen) von 16 Mio ist der Handlungsspielraum der Stadt in finanzieller Hinsicht sehr begrenzt.
Umso mehr müssen wir sorgfältig überlegen, wofür wir unser Steuerzahlergeld ausgeben.
Was ist Wichtiges hier in Erlensee passiert in 2023: Das Hallenbad wurde geschlossen. Wir warten alle mit Spannung auf das zweite Gutachten, der Förderverein hat einen Rettungsplan und Erhaltungsplan vorgelegt. Doch bevor der in die Tat umgesetzt werden kann, brauchen wir die Daten aus dem hoffentlich aussagekräftigen zweiten Gutachten.
Im Fliegerhorst sind Container für die Beherbergung von Geflüchteten aufgestellt worden. Menschen aus der Ukraine und anderen Staaten haben bei uns Zuflucht gesucht. Das ist eine Herausforderung für alle, nicht nur für die Finanzen der Stadt. Wir wissen nicht, ob diese Menschen auf Dauer bei uns leben wollen und können. Wir wissen nicht, wie die Integration funktionieren wird. Was ich weiß, ist, dass die Mitarbeiter*innen der Stadt gute Arbeit geleistet haben, um für Unterbringung, Sprachkurse und Ankommen der Geflüchteten zu sorgen.. Auch die Arbeit des Ausländerbeirats soll nicht unerwähnt bleiben. Ganz herzlichen Dank dafür! Die Mitarbeitenden wurden unterstützt von einem Kreis von Ehrenamtlichen, ohne die das alles nicht funktioniert hätte. Auch an Sie alle, ganz herzlichen Dank!
Was ist noch passiert: Die Kita am Rathaus ist noch einmal zum Leben erweckt worden. Es ist eine wertvolle Heimstätte geworden für Sportler, aber auch für den Bürgerverein und wird im kommenden Jahr auch anderen Gruppen zur Verfügung stehen. Wir sind gespannt, wie das weitergehen wird. Denn wir alle wissen, welchen Charme gerade dieses Gelände und Gebäude hat. Aber darauf werde ich später nochmals eingehen. Der Limespark wird von vielen Bürgern und Bürgerinnen angenommen, ein Besuch dort an einem schönen Sonntagnachmittag: Familien mit kleinen und großen Kindern, Ältere, Jüngere alle finden ihren Platz. Eine echte Oase hier in Erlensee, ähnlich wie der Römerspielplatz und doch wieder ganz anders.
Natürlich kostet auch das alles Geld und wir Grünen begrüßen jede Investition in Objekte, die das Leben der Erlenseer und Erlenseerinnen bereichern.
Was hat uns alle Bürger*innen noch bewegt: Die Landtagswahl in Hessen und das katastrophale Ergebnis, insbesondere hier in Erlensee mit einem Ergebnis von 27,2 % für die AFD, in manchen Wahllokalen bis zu 37 %. Wir Grünen und die SPD haben keinerlei Grund zum Jubeln. Wir haben beide jeweils um die 5 % Punkte verloren. Von daher sind wir Grünen davon überzeugt, dass wir uns alle, alle Parteien und Fraktionen hier in diesem Parlament schwer ins Zeug legen müssen, um bei den Menschen das Vertrauen in uns zurückzugewinnen.
Was ist noch passiert hier in Erlensee: Auffallend ist wie sehr sich die beiden CDU und SPD durch das Thema Finanzen knebeln lassen oder ist es Phantasielosigkeit?
2022 und 2023 hat die CDU genau einen – ich wiederhole – einen Antrag gestellt, und zwar zum Thema „Gendergerechte Sprache“. Muss ich mehr sagen? Nein
Die SPD hat drei Anträge gestellt, die noch in der Prüfung durch den Magistrat sind.
Die Grünen haben insgesamt 8 Anträge gestellt.
Wir von Bündnis 90/ Die Grünen dachten, okay – nachvollziehbar, denn für viele Anträge muss Geld eingestellt werden, da werden ja jetzt eine Reihe von Anträgen in den Haushaltsberatungen kommen.
Doch: Die SPD hat ganz darauf verzichtet, Anträge zu stellen, wie zuvor ja schon von Herrn Dr. Maul erläutert mit Blick auf die leeren Kassen. Die CDU hat einige Anträge gestellt, wobei diese Aufgaben enthalten, die entweder bereits in Arbeit sind, Sperrvermerke enthalten (z.B. die Ravolzhäuser Straße ) die unwirksam sein werden oder Anträge, die bereits in den Jahren zuvor gestellt worden waren (Verlängerung Anne Frank Straße).
Nun heißt Politik: GESTALTEN NICHT VERWALTEN. Keine Anträge oder irrelevante Anträge zu stellen, ist höchstens verwalten. Das meine Damen und Herren der SPD und auch der CDU ist enttäuschend. Da dachten wir, Sie könnten mehr.
Da die SPD – wie ja bereits gesagt – Keine Anträge gestellt hat, kann ich mich gleich denen der CDU zuwenden.
Die CDU-Franktion hat insgesamt 5 Anträge gestellt.
Rückbau der Ravolzhäuser Straße, ganz ehrlich hier ist schon die Überschrift falsch – es geht nicht um einen Rückbau, sondern die Straße MUSS saniert werden. Punkt. Der Kreisel, den Sie vehement fordern, wurde bereits im Jahr zuvor als Ziel von der SPD gefordert und auch von allen genehmigt.
Gastronomiebetrieb in Limespark ist in Arbeit
Förderprogramm Zukunft Innenstadt ist sehr viel mehr als nur der Rathausvorplatz und von der Kostenbelastung her für die Stadt nur minimal, und zwar durch die hohen Zuschüsse vom Land, also abgelehnt.
Über die Anne-Frank-Straße brauche ich nicht weiter zu reden, wird von uns abgelehnt.
Auch das Ziel: Verkauf des Gesamtgrundstücks der Fallbachhalle, übrigens inklusive der Eugen-Kaiser-Straße, abgelehnt. Das ist der Blick in die Glaskugel, wir wissen nicht, zu welchen Preisen falls überhaupt das Grundstück verkauft werden kann, wie hoch die Abrisskosten sein werden und auch nicht ob der Teil der denkmalgeschützt ist, überhaupt verkaufen werden kann.
Zu unseren Anträgen und den Gesprächen, die wir im Vorfeld mit der SPD und Bürgermeister Erb zu diesen Anträgen hatten.
Die SPD signalisierte uns Zustimmung zu unseren Anträgen „Prämierung von umwelt- und klimafreundlichen Gärten“ und Zuschüsse für das Pflanzen von Bäumen, die über den Landschaftspflegeverband gekauft werden. Beide Anträge zielen daraufhin, das Mikroklima unseres Ortes, aber auch das Bewusstsein der Bürger und Bürgerinnen in klimarelevante Verhaltensweisen zu stärken. Auch im HFA wurde so abgstimmt.
Unsere Anträge sowohl zu einem Konzept „ReUse-Regal“ als auch zur finanziellen Unterstützungen von Regentonnen (wie bereits in 2023), da hat die SPD ihre Meinung zwischen Vorgespräch und der späteren Abstimmung im HFA verändert. Das ist ihr gutes Recht und kann von uns nur mit großem Bedauern wahrgenommen werden. Was uns wundert, sehr wundert und auch unser Vertrauen in eine Zusammenarbeit schmälert, ist die Begründung. War uns in den Vorgesprächen noch erläutert worden, , dass der Magistrat zusammen mit dem Bauhof für das „Re-Use-Regal“ ein Konzept erarbeiten würde, war davon in der HFA-Sitzung keine Rede mehr. Zur Verdeutlichung: mit einem Re-Use-Regal wollen wir Grünen allen die Möglichkeit geben, brauchbare, intakte Gerätschaften egal, ob ein Föhn, ein Kochtopf, ein Rasenmäher, im Bauhof abzugeben, so dass es die Menschen, die es nutzen und brauchen können, abholen können. Das nennt man Nachhaltigkeit!!! Warum das plötzlich nicht mehr gilt, entzieht sich meinem Verständnis.
Ähnlich mit den Regentonnen, auch hier wurde uns signalisiert, man könne über geeignete Maßnahmen nachdenken. Allerdings so – wie es in 2023 gelaufen sei, könne es nicht mehr laufen, denn in diesem Jahr wurden die Tonnen bis vor die Haustür geliefert. Das hat kein Mensch verlangt. Und bereits im Gespräch mit SPD, Herrn Erb und uns waren ein paar Ideen entwickelt worden. Jetzt wird der Antrag als unsinnig vom Tisch gefegt. Und Sie, Herr Dr. Maul , beziehen sich auf die imaginäre Putzfrau im 1. Stock, die ohne einen Garten zu haben, eine solche Maßnahme mitfinanzieren muss. Hoffen wir, dass die Putzfrau im 1. Stock Kinder und/oder Enkelkinder hat oder einfach auch nur so ein Menschenfreund ist und mit mir hofft, dass auch die nachfolgenden Generationen noch einen Garten haben werden, der bewässert werden muss. Man nennt das, was wir planen kleine Schritte, um dem Klimawandel zu begegnen. Ich denke ja nicht, dass Sie Herr Dr. Maul zu den Klimaleugnern gehören und deswegen wünsche ich mir, bei aller Rücksicht auf den Haushalt auch Weitsicht.
Ein weiterer Antrag von uns, den wir als Ziel formuliert haben und der von Ihnen CDU und SPD ebenfalls abgelehnt worden ist, handelt von der Möglichkeit einen Klimamanager, eine Klimaschutzmanagerin einzustellen. Wir als Klimakommune haben Anspruch auf vielfältige Unterstützung einer solchen Maßnahme. Unsere Verwaltung ist bereits sehr ausgelastet mit all den Dingen, die sie auf den Weg bringen wollen und müssen. Ein Klimamanager kann uns als Kommune dabei unterstützen, die besten Klimamaßnahmen zu ergreifen, Fördergelder zu beantragen und natürlich auch mit unseren Nachbarkommunen zusammenzuarbeiten. Wir haben das als Ziel eingestellt, mit der Bitte an den Magistrat, alle Möglichkeiten einer Umsetzung dieses Ziels zu überprüfen. Und nun wieder Sie, Herr Dr. Maul, Sie sorgen sich, dass der Klimamanager irgendwann dann auf der Straße steht, weil er vielleicht nur zwei Jahre für uns tätig sein wird. Glauben Sie mir, Herr Dr. Maul, Personen mit diesen Kompetenzen sind gesucht und ganz davon abgesehen, in zwei Jahren kann viel passieren und auch wieder Stellen hier im Rathaus frei werden. Ihre Angst vor dem Wasserkopf ist ein vorgeschobenes Argument und taugt nicht, um den Klimawandel auch nur in kleinsten Schritten entgegenzuwirken.
Drei unserer Anträge werden wir zurückziehen, zwei weil wir übersehen hatten, dass dafür bereits Gelder im Haushalt eingestellt sind (Fahradbügel, Fahrrad-Servicestation in Erlensee) und einen, weil er nicht notwendig ist. (uns in den schon erwähnten Beratungen mit Herrn Erb und der SPD erklärt wurde, dass unser Antrag zur Gegenfinanzierung nicht notwendig sei. Die Anträge, die wir hätten, wären alle finanzierbar. Leider hat sich ja auch diese Aussage der SPD und des Bürgermeisters nicht als haltbar erwiesen.)
Eine gute Nachricht gibt es: Wir freuen uns sehr, dass unser Antrag in den nächsten Jahren nach einer Begegnungsstätte für alle Bürger und Bürgerinnen positiv aufgenommen wurde. Wie positiv die jetzige improvisierte Begegnungsstätte, die alte Kita am Rathaus bewertet und genutzt wird, habe ich ja schon zuvor erwähnt.
Natürlich enthält der Haushalt noch weitere große Summen, die wir in den nächsten Jahren wuppen müssen: Der Bau des Rathauses, der jetzt mit 29 Mio veranschlagt ist, der Bau der Kita Fröbelstraße, die mit 9 Mio beziffert wird, um nur zwei zu nennen.
Es gibt auch – wie immer Positionen, denen wir im Einzelnen nicht zugestimmt hätten: der hohe Betrag für den Kultursommer 2024 und darüber hinaus, von dem wir nicht wissen, ob die Rechnung tatsächlich aufgehen wird. Dieser Betrag fällt für uns absolut in die Kategorie Luxus und nur für einen sehr kleinen Teil unserer Bevölkerung überhaupt erschwinglich.
Hiermit komme ich zum Ende: Nicht ohne mich bei Ihnen, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung sehr herzlich für Ihren Einsatz zu bedanken. Ohne Sie wäre Erlensee im positiven Sinne nicht das, was es ist: eine lebenswerte und liebenswerte Stadt mit einer Menge Potenzial.
Und an Sie, Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich mit einem Appell wenden: Wir brauchen mehr Ideen und Impulse, auch wenn das mit deiner einen oder anderen Auseinandersetzung verbunden ist. Nur so können wir unseren Mitbürgern und Mitbürgerinnen unser Interesse an dieser Stadt beweisen. Denn Politik ist gestalten, nicht verwalten!
Ich wünsche Ihnen allen ein Schönes Weihnachtsfest und natürlich einen guten Rutsch im Neuen Jahr!
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